Der Bahnsektor befindet sich im Wandel. Das Bahnwesen und seine Wertschöpfungskette werden immer offener und konkurrierender, da traditionelle Bahnunternehmen privatisiert werden, im Wettbewerb mit neuen Anbietern stehen und ihre Komponenten sowie Bauteile zunehmend global beschaffen und warten lassen. Außerdem fordern die Regulierungsbehörden durch gesetzliche Vorgaben die Erhöhung der Sicherheit und Prozessstabilität. Dadurch werden die Abläufe der Herstellung, Instandhaltung, Reparatur und zur Wiederaufbereitung (MRO – Maintenance, Repair and Overhaul) globaler und komplexer. Diese steigenden Anforderungen des Markts, der Gesetzgebung, grenzüberscheitende Verflechtungen und die Globalisierung erfordern einheitliche Standards zur Identifikation und Kennzeichnung. Mit der standardisierten Kennzeichnung streben die Bahngesellschaften (ÖBB, SBB, DB, SNCF etc.) weltweit transparente und durchgängige Material- und Informationsflüsse über den gesamten Lebenszyklus hinweg an.
Vom Standard zur Umsetzung
Für diese standardisierte Identifikation und Auszeichnung von Bauteilen und Komponenten sollen im Bahnwesen die global gültigen GS1 Standards genutzt werden. Dazu wurde der weltweit gültige Anwendungsstandard „Identifikation von Komponenten und Bauteilen im Bahnwesen“ erarbeitet. Sein Ziel ist die einheitliche Kennzeichnung von Bauteilen und Komponenten auf der Basis von GS1 Identifikationsnummern wie GTIN und GIAI. Mit dem GS1-128 Strichcode, dem GS1 DataMatrix und EPC/RFID tags stehen drei leistungsfähige, in der Praxis erprobte und bewährte Datenträger zur Verfügung, mit denen sich die gesamte Wertschöpfungskette optimieren lässt.
Eine eindeutige Kennzeichnung ist die Basis für Industrie 4.0 und die vorausschauende Instandhaltung (predictive maintenance).
Christian Gruböck, Fachbereichsleiter Mechanische Komponenten & Systeme, ÖBB-Technische Services GmbH
ÖBB fahren mit Standards
Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) starteten im vergangenen Jahr mit der weltweit eindeutigen Kennzeichnung von sicherheitsrelevanten Bauteilen. Dazu werden seit Ende 2016 Thema | ÖBB in der ÖBB-Werkstätte im steirischen Knittelfeld Radsätze mit EPC/RFID tags und GS1 DataMatrix gekennzeichnet. Diese Tags werden dabei vorab auf Aluplättchen genietet und mit den neuen bzw. aufgearbeiteten Radsätzen verschraubt. Im Jänner dieses Jahres wurde bei den ÖBB darüber hinaus auch mit der Kennzeichnung von Bremskomponenten, wie Bremszylinder, Steuerventilen, Wiegeventilen usw., begonnen und danach sollen alle weiteren sicherheitsrelevanten Teile wie Puff er und Zugeinrichtungen folgen. Aber auch die Zulieferer dieser Komponenten werden künftig ihren Teil dazu beitragen müssen, denn die ÖBB fordern bereits bei neubaufahrzeugen eine weltweit eindeutige Kennzeichnung ihrer eingebauten Produkte. Das hat den Grund, dass bei grenzübergreifend aufbereiteten MRO-teilen für eine Bahngesellschaft auch eine grenzübergreifende Kennzeichnung erforderlich ist, was bisher nicht der Fall war.
GS1 Standards in technischen Industrien
Die globalen GS1 Standards wurden in vielen Bereichen bereits mit großem Nutzen realisiert. Im Bereich der technischen Industrie betritt das Bahnwesen mit der Initiative zur Standardisierung neue Wege. Dabei ist man jedoch nicht allein.
Automobile, Maschinen, Versorgungsartikel
So nutzt beispielweise der Automobilsektor GS1 Standards bereits seit vielen Jahren zum Plagiatsschutz im Service- und Ersatzteilgeschäft. Aber auch im Maschinen- und Anlagenbau, wo insbesondere die Realisierung von Industrie 4.0-Lösungen im Fokus steht, ist die Basis eine eindeutige Identifikationsmöglichkeit der Produkte, Bauteile, Behälter oder Maschinen. Einen ähnlichen Weg wie die führenden Bahnbetreiber hat auch die deutsche Bundeswehr bereits vor mehreren Jahren eingeschlagen. Diese ordnet an, dass auf alle Versorgungsartikel ein sogenanntes AIT-Element anzubringen sei (AIT steht für Automatische Identifizierungstechnik), das strikt den Vorgaben von GS1 folgt und die Nutzung einer GTIN zwingend vorschreibt.
Unternehmen aus der technischen Industrie
Durch Anforderungen dieser Art ist die Verwendung von GS1 Standards auch für unternehmen notwendig, die ihre Produkte nicht über den klassischen Einzelhandel verkaufen. Dies erfordert die Kennzeichnung der Produkte und Ersatzteile mit einer weltweit eindeutigen Nummer mittels GTIN (Global Trade Item Number) und einer Seriennummer. Die Datenträger dazu sind der Strichcode GS1-128 oder der zweidimensionale GS1 DataMatrix. Interessant an dieser Entwicklung und dem gelebten Standard ist auch die immer stärkere Einbindung der Zulieferbetriebe. Der Vorteil, den das durchgängige System für die Teilnehmer der gesamten Wertschöpfungskette bietet, wird immer mehr erkannt und an Umsetzungsmaßnahmen wird gearbeitet. Unternehmen aus der technischen Industrie in Österreich, die GS1 Standards bereits erfolgreich nutzen, sind u.a. Liebherr, Test Fuchs oder Palfinger.