Bieten neue Technologien und virtuelle Welten wirklich ein Paradies für Industrie und Handel? Und wie geht sich das mit dem steigenden Bedürfnis von Konsumenten nach Natürlichkeit und Echtheit in einem preissensiblen Massenmarkt aus?
Diesen Fragen wurde im vergangenen November am ECR Tag 2023 nachgegangen, der diesmal unter dem Motto „Enter Paradise? – Zwischen Authentizität und Künstlicher Intelligenz“ stand. Dabei wurden von internationalen Speakerinnen und Speakern Potenziale, aber auch Grenzen aufgezeigt sowie relevante Inhalte rund um Nachhaltigkeit und Transparenz behandelt.
KI in virtuellen Welten: Digitale Showrooms
Dieses Potenzial sehen die Experten von PwC Strategy&, Maik Hesse und Matthias Schlemmer vor allem im Metaverse und bezeichnen dies für Unternehmen sogar als „trillion dollar opportunity“. Dabei handelt es sich um eine Gruppe virtueller 3-D-Welten, in der physische als auch digitale Umgebungen miteinander verschmelzen und in der man als Avatar in Echtzeit agieren kann.
Erste erfolgreiche Use-Cases gibt es dazu bereits in Form virtueller Showrooms, zur Entwicklung neuer Produkte – wie etwa bei Coca-Cola zur Kreation neuer Geschmacksrichtungen –, aber auch zur Verbesserung der Mitarbeiterkommunikation oder zur Optimierung von Betriebsprozessen.
Aufgrund aktueller Forschungsergebnisse von PwC Strategy& ist sich Hesse sicher:
Das Metaverse als Teil des Web 3.0 wird künftig mit Sicherheit für dezentrale Wertschöpfung sorgen.
Maik Hesse, Senior Manager, PwC Strategy&
KI versus Mensch: Wo liegen die Grenzen?
Durch generative KI – worauf etwa auch ChatGPT aufgebaut ist – eröffnen sich scheinbar grenzenlose Möglichkeiten. Zieht man jedoch einen Vergleich mit dem menschlichen Gehirn, lässt sich rasch erkennen, dass KI in vielen Bereichen sehr wohl auch Grenzen aufzeigt.
„Diese Grenzen der Technik müssen erkannt werden, sonst werden wir irgendwann die Suppe mit der Gabel löffeln“, erklärt der Neurowissenschaftler Henning Beck am ECR Tag in einem eindrucksvollen Vortrag. Anhand mehrerer Beispiele, wie etwa „dass es nicht jedes Jahr dann Winter wird, wenn die Zugvögel gen Süden fliegen“, erkennt man rasch, dass KI beispielsweise nicht Ursache und Wirkung unterscheiden kann.
Henning Beck gibt daher die klare Empfehlung, „KI nur dann sinnvoll einzusetzen, wenn es um messbare Größen aus der Vergangenheit geht, so wie etwa zur Prozessoptimierung“. „Überall dort, wo Neues erschaffen werden soll“, ist laut Beck „nach wie vor menschliches Denken gefragt“.
Mit KI den Handel optimieren
Ein anschauliches Beispiel aus der Praxis, bei dem bereits heute KI erfolgreich als Optimierungstool eingesetzt wird, präsentierte Yara Sawalha, Senior Director IT bei Procter & Gamble.
So nutzt der globale Player – der übrigens über eine unternehmensinterne „AI Factory“ verfügt – KI beispielsweise zur Optimierung der Regalverfügbarkeit im Handel. Immerhin gehen aufgrund mangelnder Produktverfügbarkeit jährlich weltweit rund 100 Milliarden Dollar verloren, weshalb diesem Thema bei P&G dementsprechende Relevanz zugemessen wird.
Einen weiteren KI-Anwendungsfall aus der AI Factory von P&G präsentierte Sawalha rund um die vorausschauende Prognosestellung für Supply Chains – ebenfalls ein Beispiel, das auf bestehenden Daten aus der Vergangenheit basiert und somit Henning Becks Theorie bestätigt.
Mensch oder KI: Wer sorgt für Authentizität und Nachhaltigkeit?
Neben all den Fragen rund um die sinnvolle Nutzung neuer Technologien steht die FMCG-Branche gleichzeitig auch vor der Aufgabe, das steigende Bedürfnis von Konsumenten nach Natürlichkeit und Echtheit zu befriedigen, sprich, sich verstärkt um das Thema Nachhaltigkeit zu kümmern.
Dieses wird aus einem „Nice to have“ immer mehr zur wirtschaftlichen Notwendigkeit, was Elisabeth Wagner, Customer Success Leader Alpine bei Nielsen IQ, anhand aktueller Studienergebnisse bestätigte. Als größter Treiber erweisen sich hier laut Wagner „vor allem gesetzliche Regulierungen wie beispielsweise zum Mehrwegpfand."
Besonders spannend ist hier, dass die Konsumentinnen zur Schaffung nachhaltiger Lösungen an erster Stelle die Marke verantwortlich sehen, für diese jedoch die damit verbundenen steigenden Kosten die größte Hürde darstellen.
Elisabeth Wagner, Customer Success Leader Alpine, Nielsen IQ
Denn: Mehr bezahlen will derzeit auch niemand dafür.
Wie man Nachhaltigkeitsziele erarbeitet und auch erfolgreich im Unternehmen umsetzt, präsentierte Nadine Küster, General Secretary von Danone DACH. So hat sich Danone etwa als „B Corp“ zertifizieren lassen. Diese internationale Zertifizierung stellt sicher, dass ein Unternehmen nicht nur gewinnoptimiert arbeitet, sondern allem voran auch positive Auswirkungen auf die Gemeinschaft, die Umwelt, die Mitarbeiter und andere Stakeholder hat.
Fazit: Der Mensch gestaltet die Zukunft des Handels mit KI
„Den Shareholder zum Stakeholder zu machen“, erklärte auch Astrid Teckentrup, Vorsitzende der Geschäftsführung von Procter & Gamble DACH, als Erfolgsrezept für nachhaltiges Wirtschaften im Rahmen der diesjährigen Podiumsdiskussion des ECR Tages 2023. Nadine Küster empfiehlt wiederum, „nichts zu verschlafen und nicht abzuwarten, bis man muss!“.
Neben dem Schwerpunkt Nachhaltigkeit wurde in dieser alljährlich von ZIB-Anchorman Armin Wolf geleiteten Gesprächsrunde auch das Tagesthema KI noch mal eingehend diskutiert.
„Daran wird niemand vorbeikommen“, ist sich Erich Szuchy, Vorstand Category Management und Einkauf der BILLA AG, zwar sicher, sieht aber derzeit noch „keinen wirklichen Kundinnennutzen“ darin. Auch Martina Dutzler, Geschäftsführerin von MPreis zeigt sich eher zurückhaltend: „Alles, was wir hier machen, muss der Konsument schließlich auch bezahlen.“
Ein allgemeines Fazit daraus dürfte sein, dass die großen Player der Branche für ihre Zukunftspläne wohl doch eher auf den menschlichen Verstand vertrauen. Das ist sicher nicht verkehrt, denn auch laut Henning Beck „verstehen wir die Welt, anstatt sie zu analysieren. Und das ist genau das, was uns zu Menschen macht“.
KI bei GS1 Austria
Ein erstes Anwendungsfeld von KI gibt es auch bei GS1 Austria. So bietet das Stammdatenservice GS1 Sync seinen Anwendern ein auf „Machine Learning“ basiertes Verfahren zur Erfassung der Global Product Classification, kurz GPC, an.
Diese „GPC-Vorhersage“ unterstützt dabei, rasch und unkompliziert die Klassifikation eines Produkts aus einer Vorschlagsliste zu wählen.
Lesen Sie mehr darüber in dem Artikel "Einfachere GPC Erfassung in GS1 Sync durch Artificial Intelligence".