Seit Jahresanfang 2024 gibt es gesetzlich vorgeschriebene Quoten für das Angebot von Mehrweg-Getränkeverpackungen im Lebensmitteleinzelhandel (LEH).
Betroffen sind allerdings nur LEH-Verkaufsflächen über 400 m2 und Onlineshops. Neben definierten Ausnahmen wie Drogeriemärkten, Baumärkten, Tankstellen oder Brauereishops bleiben andere Punkte des neuen §14b im Abfallwirtschaftsgesetz ungeklärt, unter anderem
- Welche Gebinde zählen als Mehrwegartikel?
- Wie wird die Mehrwegquote berechnet? Wie zählt man einen Artikel?
- Warum sind Saison- und Aktionsartikel von der Quote ausgenommen?
Die Plattform Logistikverbund-Mehrweg (L-MW) hat es sich zum Ziel gesetzt, Klarheit zu schaffen. In einer Arbeitsgruppe bestehend aus Vertretern des Handels, der Hersteller sowie des zuständigen Bundesministeriums wird an der Konkretisierung der gesetzlichen Vorgaben gearbeitet.
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Wir haben die wichtigsten Informationen über die neue Regelung zur Mehrwegquote inkl. übersichtlicher Infografik zum Download für Sie zusammengefasst!
Die Teilnehmer beim Round Table zur Mehrwegquote
Bei einem Round Table in Kooperation mit medianet trafen sich Experten aus der Branche, um die neue Mehrwegquote aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten. Moderiert von medianet-Herausgeber Oliver Jonke diskutierten
- Nikolaus Hartig (Consultant Logistikverbund-Mehrweg, GS1 Austria),
- Erich Jaquemar (Group Key Account Manager, Vetropak Austria),
- Markus Kibgies (Commercial Director D-A-CH, HB RTS) und
- Philipp Bodzenta (Senior Director PACS & Unternehmenssprecher, Coca Cola).
Unklare Vorgaben für innovative Gesetze
Einleitend hebt Nikolaus Hartig einen positiven Aspekt hervor: Mit der gesetzlichen Regelung für den Ausbau von Mehrwegsystemen übernehme Österreich eine Vorreiterrolle.
Österreich ist das erste Land in der EU, das mit dem seit Jänner 2024 geltenden Abfallwirtschaftsgesetze dem Handel Mehrwegquoten vorschreibt.
Nikolaus Hartig, Consultant Logistikverbund-Mehrweg, GS1 Austria
Dennoch fehlen Antworten auf wesentliche Fragestellungen, wie beispielsweise die Definition einer Mehrwegverpackung. In Anlehnung an die Vorgaben des österreichischen Umweltzeichens ließe sich dafür eine Anzahl von zehn bis zwölf Umläufen festlegen, schlägt Hartig vor.
Unter einem Umlauf versteht man einen „Produktkreislauf“ eines Mehrwegprodukts. Dieser umfasst:
- Produktion
- Auslieferung an den Handel
- Kauf und Konsumation
- Rücklauf zum Hersteller
Ein Einblick in die Verhandlungen
Ebenso vermissen die Experten Details zur Größe der betroffenen Gebinde. Zur Gesamtberechnung dürfen nur Verpackungen ab 0,5 l herangezogen werden. Aber: „In die Gegenrichtung wird eine Mehrwegflasche, die kleiner als 0,5 l ist, positiv in die Quote und somit zum Mehrweganteil mitberechnet.“, merkt Philipp Bodzenta an.
Er liefert einen Einblick in die Verhandlungen zum neuen Abfallwirtschaftsgesetz:
Dem Gesetzgeber war es nicht nur wichtig, dass die Mehrwegquote erfüllbar ist. Gleichzeitig sollte sie auch für die Konsumenten sichtbar sein. An den Regalen ist deshalb eine eindeutige Beschriftung zur Unterscheidung von Ein- und Mehrweg vorgeschrieben.
Die Quote musste eingeführt werden, bevor ab 2025 das Einwegpfand von 25 Cent gilt, erläutert Bodzenta. Besonders der Diskont-Handel sei von den Neuerungen betroffen, denn er ist jetzt ebenfalls zur Rücknahme verkaufter Mehrwegflaschen verpflichtet.
Der Lebensmittelhandel kontrolliert sich selbst
Werden die Mehrwegquoten nicht erfüllt, drohen umsatzabhängige Strafen. Allerdings gibt es laut Nikolaus Hartig rechtliche Unschärfen bei den Vorgaben zur Berechnung. Dadurch zählen 2.200 Produkte auf einer Palette so viel wie eine Flasche oder Dose.
Die Zahlen müssen selbstständig durch den Händler bis Mitte März des Folgejahres gemeldet werden. Das Ministerium hat Kontrollen angekündigt, doch:
Der Einzige, der das wissen kann, ist der LEH selber, weil ein einmaliger Besuch des Verkaufsraums und das Durchzählen der Artikel eine Momentaufnahme darstellen würde und nicht den Jahresdurchschnitt repräsentiert.
Nikolaus Hartig, Consultant Logistikverbund-Mehrweg, GS1 Austria
Die Voraussetzungen für das Mehrweg-System
Wie auch PET in den 90er-Jahren Getränkeflaschen aus Glas und Dosen ablöste, sollen zukünftig also Mehrweggebinde angeboten werden. Erich Jaquemar vom Glasverpackungshersteller Vetropack zeigt in diesem Zusammenhang eine wichtige Voraussetzung auf:
Wenn keine Mehrwegverpackungen hergestellt werden, könne der Handel auch keine verkaufen.
Neben der etablierten 0,5-l-Bierflasche wurde erst kürzlich eine 0,33-l-Mehrwegflasche entwickelt. Für alkoholfreie Getränke waren lange keine praktikablen Mehrweglösungen verfügbar. Denkbar wären für Jaquemar eine Standardflasche für Eigenmarken für kleinere Marken.
Dem stimmt auch Hartig zu: Ein bis zwei Standardflaschen pro Segment empfinde er bereits als Durchbruch. Die Grundlage sei allerdings ein gemanagter Pool, der ein Gleichgewicht zwischen zugekauften und vernichteten Flaschen der einzelnen Firmen herstellt.
Mehrweg in der Praxis
Unterm Strich sind es die Hersteller und der Lebensmittelhandel, die nicht nur die neuen gesetzlichen Vorgaben umsetzen, sondern auch die Konsumenten davon überzeugen müssen.
Consumer demand drives everything – letztlich können wir keine Produkte auf den Markt bringen bzw. dort belassen, die nicht nachgefragt werden.
Philipp Bodzenta, Senior Director PACS & Unternehmenssprecher, Coca Cola
Eine Untersuchung von Coca Cola ergab, dass Mehrweg und Nachhaltigkeit eine große Bedeutung haben Zustimmung finden. Bodzenta gibt aber zu bedenken: „Ob wir den Konsumenten zu etwas zwingen können?“
Das Unternehmen Coca Cola hat sich bis zum Ende des Jahrzehnts selbst zu einer weltweiten Mehrwegquote von 25 % verpflichtet. Wichtig sei für den Unternehmenssprecher, dass die Kunden neben Mehrweglösungen aus Glas noch andere Auswahlmöglichkeiten haben.
Ich kann ja niemandem am Checkout die Flasche wegnehmen, weil man heute eine Quote nicht erfüllt hat.
Nikolaus Hartig, Consultant Logistikverbund-Mehrweg, GS1 Austria
Die Experten sind sich einig, dass ein Mehrwegsystem nur dann erfolgreich sein kann, wenn es für die Kunden bequem und kostengünstig ist und gleichzeitig alle Marktteilnehmer an einem Strang ziehen.
Die 0,33-l-Flasche dient als Paradebeispiel dafür:
„Wir haben mit allen Stakeholdern gesprochen und eine Flasche gefunden, die ziemlich allen einen Vorteil bringt. Wir sparen 20 Prozent Logistik ein und mit den Sekundärverpackungen bieten wir ein System, das bequemer ist und für die Kunden annehmbar ist.“, berichtet Erich Jaquemar.
Markus Kibgies weiß aus eigener Erfahrung, dass die Konsumenten hinsichtlich Nachhaltigkeit immer aufmerksamer sind. Er fordert:
Auch Zweitplatzierungen sollten beispielsweise Mehrweg sein, nicht nur die Flasche, sondern auch der Aufsteller.
Markus Kibgies, Commercial Director D-A-CH, HB RTS
Dabei bezieht sich Kibgies auf die über drei Millionen Einwegdisplays im Einzelhandel. Mit einem Durchschnittsgewicht von 6 kg bedeuten sie 18.000 Tonnen Karton. Allein mit einer Hybridlösung aus einem Mehrwegdisplay mit gebrandeten Kartonelementen ließen sich 80 % Gewicht und fast 65 % CO2eq an Emissionen einsparen.
Das Fazit der Expertenrunde zur Mehrwegquote
Im abschließenden Fazit verweist Nikolaus Hartig auf die europaweit anerkannte Abfallpyramide. Sie reiht „Reuse“ vor „Recycle“ und unterstreicht die höhere Bedeutung von Mehrwegsystemen.
Philipp Bodzenta stellt den Konsumenten und dessen Wünsche in den Mittelpunkt. Um den ökologischen Impact zu berücksichtigen, fordert er eine generelle Offenheit gegenüber verschiedenen Systemen.
Ähnliches wünscht sich auch Erich Jaquemar: Nämlich Systeme, die Marken nicht nur Freiheit bei der Präsentation lassen, sondern auch eine standardisierte Lösung für kleinere Hersteller bieten. Die zukünftig gesetzten Maßnahmen und gesetzlichen Anpassungen sollen vor allem vernünftig sein, denn „Mehrweg darf nicht Religion werden.“
Weiterführende Informationen
- Alle Fakten zu den gesetzlichen Mehrwegquoten für Getränkeverpackungen ab 2024
- Infografik: Die Mehrwegquote im Überblick
- Video-Aufzeichnung des Round Tables
(medianet.tv-Produktion)